Schlafmangel Deluxe, Baby Blues und Dusch-Abstinenz: Wie ich die spannende erste Woche des Mutterseins erlebt habe.
Die Zeit im Krankenhaus
Da hatte ich ihn also im Arm. 3220 Gramm verteilt auf stattlichen 54 Zentimetern. Wahnsinn! Das erste Staunen nach der Geburt folgte schon wenige Minuten später, als ich aus dem Kreissaal raus in einen Ruheraum geschoben wurde und die Hebamme mir den Kleinen zum Trinken an die Brust legte. Als wäre das das Normalste der Welt, schnappte er sich meine Brustwarze und Nuckelte was das Zeug hält. Wie ist sowas möglich? Dass dieses kleine Wesen nur kurz nachdem es aus seiner gewohnten Umgebung, dem Mutterleib, rausgekommen ist, etwas nie Erlerntes einfach so selbstverständlich ausübt? Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass das mit dem Stillen gut klappt und war richtig froh darüber. Das Gefühl, dein eigenes Kind an deiner Brust zu haben ist wahnsinnig schön. Diese Wärme, der Körperkontakt und das Gefühl gebraucht zu werden machen einen stolz und übermannen einen binnen weniger Sekunden. Da ist jetzt ein kleines Menschlein, das einen braucht und dein Körper hat genau das parat, was du dafür benötigst und dein Instinkt verrät dir, was du tun musst.
Nach dieser schönen Still-Erfahrung wurde ich ins Zimmer gebracht – wir hatten ein Familienzimmer und waren somit die einzigen darin. Was ich persönlich sehr schön fand, denn so konnten wir uns ganz frei bewegen, Besuch empfangen, wann wir wollten, laut und leise sein, wann wir wollten und mussten kein schlechtes Gewissen haben, wenn der Kleine mal nachts weint oder wir nochmal das Licht anmachen wollten. Mein Mann war die meiste Zeit da und hat jede Nacht bei mir geschlafen, so konnte er die vielen schönen Momente und neuen Erfahrungen der ersten drei Tage im Krankenhaus miterleben. Man lernt im Krankenhaus richtiges Wickeln, Waschen, An- und Ausziehen, die perfekte Stillposition, wie man das Baby gut hält (auch wenn man es instinktiv richtig macht) und noch viele weitere interessante Sachen. Auf einmal macht man sich über jeden Schritt und jede Handlung Gedanken. Sitzt die Windel richtig? Drückt sie vielleicht am Bauch? Ist er zu warm/kalt angezogen? Liegt er bequem? Ist dieser Stuhl normal? Was ist das für ein roter Fleck im Gesicht? Warum ist sein Auge verklebt und wie darf ich das wegmachen? Bekommt er genügend Milch oder soll ich vielleicht doch etwas zufüttern? Fragen über Fragen, die man sich wohl (zum Glück) nur beim ersten Kind ständig stellt und an oberster Stelle immer wieder: mache ich alles richtig? Ich bin wirklich sehr dankbar, dass mein Mann rund um die Uhr für mich da war und mir (bei diesen „schwierigen“ Fragen) zur Seite stand.
Im Krankenhaus hat man noch die Möglichkeit die Schwestern zu löchern und um Hilfe zu beten, Zuhause sieht es dann schon anders aus. Auch kann man, wenn man möchte, das Baby nachts abgeben und es wird nur zum Stillen gebracht. Das hab ich aber nicht übers Herz gebracht, ich wollte den Kleinen rund um die Uhr bei mir haben, ihn ansehen, küssen, schmusen und einfach bewundern. Darunter litt natürlich mein Schlaf. In den ersten drei Nächten konnte ich insgesamt etwa fünf Stunden schlafen. Nicht, dass es nicht möglich gewesen wäre, allerdings hab ich einfach in der Zeit, in der der Kleine schlief, kein Auge zubekommen. Ich hatte ständig Angst, dass etwas passiert und dass er plötzlich aufhört zu atmen. Alle zehn Minuten hab ich ihn angefasst, ob er noch warm ist und seinen Puls gefühlt. Auf einmal hatte ich auch schlimme Tagträume, zum Beispiel dass er mir vom Wickeltisch fällt, ich mit ihm die Treppen runter stolpere oder wir einen Autounfall haben. Das ist zwar nicht schön, aber ich denke, solche Ängste sind am Anfang ganz normal. Da muss man einfach aktiv dagegen steuern und sich zwingen, die Sache etwas gelassener und befreiter anzugehen. Mit der Zeit kommt die Routine und die Angst wird etwas weniger. Ganz vergeht sie wahrscheinlich mein Leben lang nicht, aber das ist eben der negative Aspekt, wenn man einen Menschen so sehr liebt, da schwingt immer etwas Angst mit.
Baby Blues
„Schwangerschaftsdepression“ – über diesen Begriff musste ich immer etwas schmunzeln, da ich nicht nachvollziehen konnte, wie man, nach so einem tollen Erlebnis, darunter leiden kann. Das würde mir NIE passieren – hab ich immer gesagt – ich bin doch so ein positiver und fröhlicher Mensch. Und dann übermannte es mich vom einen auf den anderen Moment und ich habe geweint. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern jeden einzelnen Tag und zwar mehrmals. In der einen Sekunde hätte ich noch vor Freude und Glück platzen können und in der anderen stand ich vor der Kinderärztin zur Untersuchung und schluchzte los. Ich würde es nicht als Schwangerschaftsdepression bezeichnen, ich finde den Ausdruck „Baby Blues“ wesentlich eleganter und treffender. Ich denke, es war eine Mischung aus großer Angst, etwas falsch zu machen, den sinkenden Hormonen in meinem Körper, dem wenigen Schlaf, dem (Glücks-)Gefühlschaos und dem neuen Bewusstsein für die Verantwortung, die ich von dem Zeitpunkt an für den Rest meines Lebens haben werde. Manchmal wusste ich nicht ob ich vor Freude oder vor Trauer weinte. Im Krankenhaus reagierten alle total verständlich darauf, das Personal erlebt das jeden Tag. Dennoch war es mir irgendwie unangenehm. Meine Hebamme bot mir homöopatische Mittel zur Beruhigung an, die habe ich allerdings nicht ausprobiert. Mein Tipp an alle frisch gebackenen Mamis: lasst euren Gefühlen freien Lauf! Weint, lacht, schluchzt, tanzt vor Freude – wonach euch auch immer ist, es befreit, wenn man es rauslassen kann. Nach etwa einer Woche war das bei mir besser, ich bin zwar immernoch sehr emotional, aber es überkommt mich nicht mehr so unkontrolliert.
Die erste Woche Zuhause
Am dritten Tag ging es für uns nach Hause. Wir packten unsere sieben Sachen, warfen den Zwerg in seine (viel zu großen) Klamotten und verstauten ihn im Maxi Cosi. Doch wie schnallt man den überhaupt an? Wir hätten den Rat unserer Freunde befolgen und uns vorher ansehen sollen, wie der Kindersitz für das Auto funktioniert. Auch das Zusammenklappen des Kinderwagens stellte sich schwieriger raus, als angenommen. Jeden Tag steht man vor neuen, kleinen Herausforderungen, die einem vorher so nicht bewusst waren. Irgendwann hatten wir den Sitz dann befestigt und konnten losdüsen. Zuhause angekommen wusste ich zuerst gar nicht wohin mit dem Kleinen. Ich bewegte mich mit ihm, wie auf rohen Eiern und traute mich nichtmal, ihn fünf Minuten aus den Augen zu lassen, um auf die Toilette zu gehen.
Die erste Woche war wirklich sehr stressig und ich beneide alle Mamis, die ihre Eltern und Schwiegereltern in der Nähe haben. Unsere wohnen leider etwas weiter weg und so waren wir erstmal auf uns alleine gestellt. Zum Glück kam jeden Tag unsere Hebamme, die konnte ich dann mit Fragen löchern (auch wenn man es nicht glaubt, da kommen täglich einige zusammen.) Aber die blieb leider auch nicht den ganzen Tag. Ich konnte unseren kleinen Prinzen am Anfang kaum ablegen, da ich immer Angst hatte, dass etwas passiert, währenddessen ich in einem anderen Zimmer bin. Mein Mann hatte ständig Training, Spiel und andere Termine und so musste ich die wertvolle Zeit nutzen, die blieb, während der Kleine schlief, um mal etwas für mich zu machen. Ich hatte dann die Qual der Wahl etwas zu essen, zu duschen, den Haushalt zu erledigen oder Schlaf nachzuholen. Leider entschied ich mich meistens für den Haushalt, da ich die Unordnung, die sich im Laufe des Tages ansammelte, nicht ertragen konnte. Schwerer Fehler! Denn so aß ich selten, duschte noch seltener und bekam so gut wie keinen Schlaf. Nach drei Tagen änderte ich das System: Essen und Schlafen stand auf Platz eins, dann kam duschen und zum Schluss der Haushalt. Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, denn Duschen ist schließlich auch sehr wichtig, aber alles zusammen war einfach nicht drin und so musste ich wohl oder übel die Zeit dazwischen mit einer Katzenwäsche mit Waschlappen überbrücken. Das hat mich ein wenig an die Zeit erinnert, als ich viel auf Festivals war, da verlief das ähnlich. Rekord im „Es-Nicht-Unter-Die-Dusche-Schaffen“ war übrigens fünf Tage, da war mein Mann weg und der Kleine litt unter schlimmen Bauchkrämpfen. Auch wieder keine schöne Sache, aber unser Prinz hat sich nicht beschwert, dass Mami fettige Haare hatte:)
Neben all dem Stress und der immernoch andauernden Angst etwas falsch zu machen, gab es in der ersten Woche auch viele tolle Momente: Der Tag, an dem der Nabel abging (nach einer Woche), das erste Bad (er wird mal so eine Wasserratte, wie wir), der Moment, als unser Hund Emilian zum ersten Mal gesehen hat (die beiden verstehen sich super), mein erster Spaziergang mit Hund und Kinderwagen (Gott war ich stolz), die vielen Schmusestunden und das Stillen, das bis jetzt noch gut klappt.
Grenzenlose Liebe
Man denkt sich, dass die Schwangerschaft eine aufregende und spannende Zeit war und sich viel verändert hat aber wenn das Baby erstmal da ist, geht es erst richtig los. Der ganze Alltag ändert sich und die Prioritäten werden neu gesetzt. Man wird plötzlich zu einer dieser Mütter, die man nie werden wollte. Man unterhält sich völlig interessiert über Baby-Stuhlgang, macht aus jedem Einkauf für den Zwerg eine kleine Wissenschaft und notiert/fotografiert/freut sich über jedes Bäuerchen und jeden Pups, den der Kleine gemacht hat. Alles ist plötzlich anders. Man denkt, dass man schon mal jemanden geliebt hat aber wie stark die Liebe einer Mutter (und auch eines Vaters) zum eigenen Kind ist, das kann man sich wirklich nicht vorstellen und ist nicht in Worte zu fassen. Denn es gibt keine Worte, die groß genug dafür sind. Dieses Kleine Wesen, welches man rund 40 Wochen in einem getragen hat, das einem so manchen Schlaf geraubt hat, den ein oder anderen Klamottenkauf vermiest hat, einen von vielen Köstlichkeiten fern gehalten hat, den eigenen Körper irgendwie verschandelt hat, dieses Wesen schließt man binnen weniger Sekunden so tief in sein Herz und das Leben hat plötzlich einen völlig neuen Sinn.
Einen richtigen Rhythmus haben wir zwar noch nicht, aber immerhin hat sich meine Dusch-/Ess-/Schlaf- und Haushalts-Situation deutlich verbessert. Man wächst von Tag zu Tag mehr in diese Mutterrolle rein und doch überrascht einen jeden Tag etwas völlig neues. Wie es mir nach der Eingewöhnungszeit Zuhause ging und welche Abenteuer der kleine Prinz und ich danach erlebt haben, das erzähle ich euch nächsten Sonntag.
Was ich in dieser Zeit gelernt und erlebt habe
- man glaubt gar nicht, wie lange es dauert, bis man das Kind und sich selber mal fertig gemacht hat
- es hat nicht unbedingt etwas zu sagen, wenn das Baby kalte Hände/Füße hat, der ausschlaggebende Punkt ist (meistens) der Nacken
- werde ich jetzt wirklich eine dieser Mütter, die sich über Windelinhalte unterhält? (Die Antwort ist: JA!)
- man sollte sich unbedingt vorher ansehen, wie Maxi Cosi, Kinderwagen und Co. funktionieren
- wenn man Kinder hat darf es Zuhause ruhig etwas aussehen
- wenn man stillt bekommt man Nachwehen, die ziemlich heftig sein können (Wunderwerk weiblicher Körper)
- der Baby Blues erwischt auch die fröhlichsten Menschen
- mir hätte mal jemand sagen sollen WIE heftig die Wochenblutungen sind (ich wäre fast in Ohnmacht gefallen)
- man ist nicht so schlank, wie man sich fühlt (habe zwar schon zehn Kilo weniger, passe leider immernoch nicht in meine alten Hosen rein)
- wie hat der Kleine Wurm nur da reingepasst?
- zum Glück hab ich mich für das iPhone 6 mit 128GB Speicherplatz entschieden #nenntmichdauerknipser
- Duschen wird überbewertet
Jule says
Wow … bin total überwältigt von der heutigen Kolumne,dass mir die Tränen gekommen sind. Bin selber in der 18. Woche schwanger und deine Kolumne steigert meine Vorfreude noch mehr 🙂
marina says
wunderschöne Worte!!! darf ich was beitragen?
*man denkt jetzt die ganze Zeit- wie werde ich damit klar kommen, wenn er 14-15 sein wird und plötzlich mich nicht mehr so sehr braucht….
ich habe vor 6 Wochen den zweiten Sohn auf die Welt gebracht ( der erste ist 3,5 Jahre alt) und muss ehrlich sagen- diese Gedanke macht mich fertig. Was, wen sie sich schämen werden, wenn ich sie küssen will oder umarmen in der Öffentlichkeit?
Küssen- so oft wie es nur geht, schmusen, riechen, umarmen – ganz ganz oft!!! die Zeit vergeht soooo schnell!
genieß es und schreib alles auf!!!!
Pazi says
Ja diesen Gedanken hatte ich auch schon aber ich denke jedes Alter hat seine positiven wie negativen Seiten. Wenn man seine Kinder mit großer Liebe erzieht, dann schafft man schon mal die Basis für eine harmonische Bindung zueinander:) Herzlichen Glückwunsch zur Geburt und alles Liebe für euch:) Meiner ist jetzt auch sechs Wochen alt:)
Mapista says
Ich kann mich in deinem Bericht so wiederfinden. Meine Tochter ist zwar schon acht, aber ich hätte vor acht Jahren auch nie gedacht, dass sich alles so verändern würde. Und obwohl sie schon so selbstständig ist, möchte ich sie am liebsten den ganzen Tag überbehüten. Das sagt einem nämlich auch niemand, dass scheinbar recht coole Menschen auf einmal zu Glucken werden;-). Aber das ist ja auch das Tolle am Muttersein- man lernt sich neu kennen und bekommt das wertvollste Geschenk im Leben dazu- ein Kind! Genießt die Zeit. Sie verfliegt wirklich rasend schnell, auch wenn man das am Anfang nicht glaubt;-).
Herzliche Grüße und eine tolle Zeit mit Sohn
Alexandra says
Einfach toll und interessant!! 🙂
Annie says
Hey Pazi,
Ich bin jetzt das zweitemal auf deinem Blog und liebe ihn. Deine Geschichten sind so natürlich und ehrlich geschrieben, sodass man gar nicht aufhören will zu lesen.
Ich freue mich schon auf naechsten Sonntag!
Lg
Annie
Julia says
Ein sehr schön geschriebener Artikel. Gut zu lesen. Es ist der zweite Artikel den ich von Dir gelesen habe und ich freue mich auf weitere. Man fühlt sich in die Situationen hineinversetzt.
Alles Liebe.
Laura says
Selten einen so schönen, aber gleichzeitig ehrlichen Artikel gelesen von einer frisch gebackenen mami 🙂
Mein Sohn ist bereits 2 Jahre, aber wenn ich das hier lese, fühle ich mich als ist er gestern zur Welt gekommen. Die selben Fragen, die selben schlimmen Ängste und die selbe erschreckende Kenntnis solch eine Mama zu sein die sich über den Stuhlgang des Kindes unterhält 😀
Aber ich kann dir mut zusprechen es wird besser und man lernt es zu genießen 🙂 ganz viel Glück und Vorallem Gesundheit für euren kleinen Mann und auch euch. Liebe Grüße
Alice says
Ach, das hast du wahnsinnig schön geschrieben, hatte Pipi in den Augen ♥